Milarepa Asket Statue
Lehrmeister - Acaryas

Milarepa – Schüler Marpas

Milarepa, der Schüler Marpas, gilt vielen als Zeichen der Hoffnung. Er fand trotz großer Sünden (z.B. Mord) in einem einzigen Leben einen Weg zur Erlösung und Erleuchtung.

Milarepa Leben und Lehre

Milarepa (Mi-la ras-pa) (* 1040; † 1123) geboren in Ghunthang

Über ihn gibt es eine Biographie, geschrieben von seinem Lieblingsschüler Rechungpa. Von Milarepa selbst ist mit “Die hunderttausend Lieder” (Gurbum) auch ein autobiographisches Werk überliefert.

Sein Taufname war Tögpaga, er hatte jedoch den Rufnamen Mila. Da er meist ein weißes Baumwollgewand (Repa) trug, wurde sein Rufname später Milarepa.

Milarepas Kindheit und Sünden

Bevor er auf seinen Lehrmeister Marpa traf, hatte er ein bewegtes Leben hinter sich.
Der Erzählung nach verstarb sein Vater als er sieben Jahre alt war. Nach dessen Tod wurde seine Mutter von Verwandten um den Besitz des Vaters betrogen. Milarepa sang öffentlich Lieder und heilige Texte, um Almosen zum Überleben seiner Familie zu sammeln.
Seine Mutter drängte ihn zur Lehre der Schwarzen Magie, um sich mit Milarepas Hilfe und dessen Kenntnissen an den Verwandten zu rächen. Bei einem durch seine schwarze Magie verursachten Hauseinsturz starben viele seiner Verwandten.

Sein Weg zur Lehre

Aus Reue über seine Tat begab er sich auf die Suche nach einem Lehrmeister, der ihn in die buddhistisch-tantrische Lehre einweihen konnte. Er traf auf Marpa, der sein Lehrmeister werden sollte. Jedoch musste Milarepa vorher viele Prüfungen über sich ergehen lassen.
Der Legende nach musste er allein ein mehrstöckiges Haus bauen, das Marpa ihn mehrfach einreißen und umbauen lies. Nach vielen Jahren nahm Marpa ihn erst als Schüler auf und erklärte ihn später zu seinem Lieblingsschüler.
Milarepa wurde nach Marpa der Linienhalter der Mahamudra-Lehre und wurde berühmt durch seine Gesänge und Gedichte. Er verbreitete die Lehre oft in Form von Gedichten und Gesängen. Die Tibeter sprechen von den 100 000 Gesängen des Milarepas.

Marpa

Marpa beherrschte die tantrische Meditationstechnik der „Inneren Hitze“ und war Sommer wie Winter nur mit einem Baumwollhemd bekleidet. Er lebte in Höhlen des Himalayas und begab sich dort durch Meditation in eine kahle, transformierte und überweltliche Landschaft. Er brach die Isolation ab, da er im Traum erfuhr ein bestimmtes Tantra-Buch zu studieren. Marpa besaß dieses Buch jedoch nicht und machte sich auf dem beschwerlichen Weg durch den Himalaya nach Indien, um das Werk zu besorgen. Ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Tibet verstarb sein Sohn. Marpa rief seine vier Hauptschüler zusammen und verteilte unterschiedliche Meditationsaufgaben an sie.

Milarepas Eremitenzeit

Mila erhielt die Anweisung, seine Körpertemperatur zu erhöhen, um als Eremit den Winter im Himalaya zu überstehen. Neun Jahre verbrachte Milarepa als Eremit und viele Jahre als Asket. Marpa hat ihm vor Aufbruch seiner Reise in seine alte Heimat eine Schriftrolle übergeben, die er erst öffnete als er wegen Schmerzen und geistigen Irritationen seine Meditation abbrechen musste. Dort fand er sehr erstaunt die Anweisung Körper und Geist durch vernünftige Ernährung zu Kräften zu bringen. Sein Befinden verbesserte sich dadurch und er konnte seine Meditation wieder aufnehmen und gelangte zu neuen transzendenten Erkenntnissen wie Sunyata (Leerheit alles Seienden), Samsara (Kreislauf der Wiedergeburten) und Nirvana (Austritt aus Samsara). Er entwickelte paranormale Fähigkeiten (Siddhi) wie Fliegen.

Milarepa als Lehrer und sein Tod

Um seine Ruhe zu haben wanderte er nach Nepal, sammelte Schüler um sich und ließ sich nahe der tibetisch-nepalesischen Grenze bei Nyanama in einer Höhle nieder.
Im Alter von 83 Jahren verabschiedete es sich von seinen Schülern mit einem letzten Lied: “Beherzigt meine Lehren und folgt mir!” Er ermahnte sie, nicht nach Gütern und Ruhm zu streben, bescheiden zu sein und sich in eine Fetzenkutte zu kleiden. Seine Einäscherung fand unter großer Anteilnahme in Chubar statt.
Von den Tibetern wird er verehrt, da er als gewöhnliche Person ein Bodhisattva (Erleuchteter) und großer Meister wurde, und so in einem einzigen Leben zur Buddhaschaft gelangte.

Als Linienhalter der Lehre bestimmte er seinen ersten Schüler Gampopa.
Alle Kagyü-Schulen gehen auf Gampopa Dagpo Lhaje zurück, weshalb er einen besonderen Ehrenplatz zusammen mit Marpa und Milarepa im Pantheon der Kagyü einnimmt.

Ikonographie von Milarepa

Milarepa wird mit der Hand am rechten Ohr dargestellt, um wohl besser die Lehren seines Meister und die Dakinis (weibliche tantrische Geistwesen) zu hören. Das ist wohl auch eine Andeutung auf die mündliche Übertragung von geheimen, mündlichen Lehren. Andere Interpretationen sagen, er höre den kosmischen Gesängen der Natur zu. Seine linke Hand liegt im Schoß und ist leer oder mit Schale (manche behaupten es sei eine Kapala (Schädeltasse) dargestellt. Sein Meditationsgurt liegt über der rechten Schulter. Er trägt immer nur sein leichtes Baumwollgewand. Er wird auch auf einem Antilopenfell sitzend dargestellt, das seinen Thron bedeckt.

Eine weitere Darstellung ist Milarepa als heiliger Yogi mit Sanftmut und lieblichen Ausdruck. Seitlich seines Thrones befinden sich der kniender Jäger Kyirawa Gonpo Dorje, ein gefleckter schwarzer Hirsch und eine rote Hündin.

Legene zur alternativen Darstellung

Der Legende nach saß er auf einem Felsen und meditierte, während ein Hirsch in Todesangst vor einem Jäger und seiner Hündin flüchtete. Milarepa sah die drei, die in Samsara (Leben und Tod Drama) gefangen waren und trug erst dem Hirsch ein Lied vor:

Lausche meinen Worten, du Hirsch mit spitzem Geweih
Weil fliehen du wolltest vor etwas in der Außenwelt,
Glückt es dir nicht, dich selbst zu befreien von innerer Blindheit und Wahn.

Da kam die wilde Hündin herbei und griff den Hirsch an, nun sang Milarepa für sie:

Was immer du auch siehst, hälts du für deinen Feind:
Erfüllt ist dein Herz von Hass und üblen Gedanken.
Deines schlechten Karmas wegen bist du als Hündin geboren,
Immer Hunger leidend und gequält von Leidenschaft.
Versuchst du nicht den natürlichen Geist im Innern zu fassen,
Was nützt es da, in der Außenwelt auf Beute auszugehen?
Für dich ist die Zeit gekommen, zu fangen deinen natürlichen Geist;
An der Zeit ist es nun, deiner Wut zu entsagen, komm und sitze mit mir in Ruhe.

Bald tauchte der Jäger auf und schoss aus Wut einen Pfeil auf Milarepa ab, der Pfeil wurde auf magische Weise jedoch abgelenkt. Milarepa sang für ihn:

Man sagt, sehr kostbar ist der menschliche Körper, so wie ein Edelstein;
Doch nichts ist Kostbares an dir, du sündhafter Mensch in Dämonengestalt!
Obwohl die Freuden des Lebens du begehrst,
Wirst du, Deiner Sünden wegen, sie niemals erlangen.
Doch entsagst du den Begierden im Innern, wirst die große Verwirklichung du gewinnen.
Schwierig ist es, sich selbst zu besiegen, solange man die Außenwelt erobern will:
Erobere nun deinen eigenen natürlichen Geist!
Diesen Hirsch zu töten, wird niemals dich zufriedenstellen,
Doch tötest du die fünf Gifte im Innern, werden alle Wünsche dir erfüllt.
Versucht in der Außenwelt man Feinde zu besiegen, so werden ihrer nur immer mehr.
Doch erobert man seinen natürlichen Geist im Innern, verschwinden bald alle Feinde.

Der Jäger Kyirawa Gonpo Dorje war so ergriffen, dass er Milarepas Schüler wurde.

Quelle der Ikongraphie:
Weisheit und Liebe Weisheit und Liebe. 1000 Jahre Kunst des tibetischen Buddhismus. Von Marylin M. Rhie und Robert A. F. Thurman Erschienen im Dumont Verlag, 2000


Quellennachweise

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